Die Wahrung von Dingen

Vom Bewahrer

Das hier ist nicht als Autobiographie zu verstehen. Dennoch muss ich einige Dinge über mich mitteilen.

Einige bevorzugte Freunde haben festgestellt; dass ich tatsächlich den Lebensabend erreiche und trotz der beiläufigen Grobheit; erwäge ich einsichtig ihren Rat; eine Fundgrube von Botschaften an den Wohlgeneigten zu richten; wie damit umzugehen ist mit meinem bescheidenen Gewölbe mit der Geschichte von Terminus – und ein paar Dingen darüber hinaus.


Ich habe immer ungern die Namen dieses Amtes verhüllt, da ich mich selbst nicht von Ruf, Ruhm oder sogar Hochachtung gesehen habe. Ich war niemals dazu bestimmt Rüstung zu tragen und ich war niemals dazu bestimmt einen Titel zu haben. Doch ich stand beschuldigt als Dieb, Gotteslästerer, Thronräuber und allgemeiner Gesetzesbrecher vor verschiedenen Gerichten und einem Tribunal (obwohl ich glücklicherweise in den meisten Fällen freigesprochen und in einem befreit wurde). Mehr als einmal sind charakterlosen Männern an mich herangetreten mit dem Angebot meinen Status aufzuwerten durch „einfaches“ Abändern von Ereignissen in mehr oder weniger gewogener Weise. (Nämlich: Festus von High Brace ist ein Betrüger, zumindest an diesem Tag. In vorangegangenen Jahren achtete ich ihn als Kamerad in der archivarischen Arbeit und als Freund außerhalb davon. Wie traurigerweise so viele hat er das Klimpern von Gold dem Rascheln von Papier bevorzugt und spann seine Mythen für einen kläglichen Profit. Ich sage das nur um den Leser zu warnen falls er oder sie versuchen sollten unsere jeweiligen Zusammenfassungen zu kombinieren – und auch um ihn zu beschämen). Zu diesem Zweck erlaube ich mir selbst kaum Unterstützung, da ich nur ein normaler Mann bin und fürchte sogar echte Gefälligkeiten könnten das Gewicht der Wahrheit überaus erleichtern und mein Urteilsvermögen dämpfen. Mein Leben war oft in Gefahr, mehr durch Aristokraten als durch Tagediebe, dennoch kann ich mir nicht erlauben, dass sich ein Vergehen wie Großzügigkeit auf meine Arbeit auswirkt.


Ein Rückschlag ist ein Ritual das einhergeht mit wahrer Erkenntnis wie es scheint. Ich hatte zwei Geschäfte die bis auf die Grundmauern niedergebrannt wurden. Vier Kisten gestohlen obwohl eine nur mit dreckverschmierten Steinen gefüllt war und eine andere gesichert mit einer raffinierten Falle aus entzündlichem Splintholz und Pech (zu einem beträchtlichen Preis mit einem ansehnlichen Ergebnis). Ich wurde verhext, verflucht, heimgesucht, gejagt, ausgepeitscht, ausgestoßen, exkommuniziert, eingesperrt und kurzzeitig versklavt. Bis jetzt hat Terminus noch immer sichergestellt, dass ich noch immer hier verweile und es ist mein sehnlichster Glaube, eine unumschränkte Präsenz wünscht den Schutz all jener wertvollen Dinge, in der Tat glaube ich mich bewahrt für diesen Zweck.


Also, welches ist mein Name oder besser, wer bin ich? Ein lieber, verreister Freund nannte mich einst „a loomer of legends“ (Anm.: Weber von Legenden), was intelligent, aber ziemlich nichtssagend ist. „The Loomer“ klingt wie ein falscher Gott von der schlimmsten Sorte. Und obwohl es viele Grüße von Abordnung von Stämmen, Klans, Königreichen und so weiter gibt, die ich gerne erwidere, passe ich doch nur in die Rolle eines Menschen. Und das ist warum ich sanftmütig das Amt als Keeper in Anspruch nehme, obwohl ich hoffe, es existiert auch noch nach meiner Bewahrung. Wenn ich dann endlich meinen Platz unter den Toten gefunden habe wird diese Welt immer noch das Erinnern benötigen. Deshalb schreibe ich alles nieder und flehe, dass jemand einen weiteren Kompagnon schickt um meine Studien fortzusetzen. Jemand der wahrlich erleuchtet mit dem gleichen Eifer, geneigt sich aufzuopfern im Wohlwollen für diese wichtigste Verwaltung. Allerdings sind solche Personen seltener als jeder wertvolle Stein, Rune oder Spruch…


So weit bis ich sterbe


Der Bewahrer

Was sind die Wahrungen von Castigue?

„Die Wahrungen von Castigue…


Diese auffällig kleinen Briefe kosteten mich mehr Gefahr als ein ganzes Regal mit Büchern von High Summoning oder sogar drei Bände mit Aufzählungen aller bekannten Drachen von Terminus.


… und ich habe sie beinahe zurückgebracht, oder? Zu ihrem Eigentümer, einem Nachkommen der Blutlinie des jungen Narian – so ernsthaft begehrt war diese Sammlung in den ersten Monaten… Ich habe dankbar nachgegeben und jetzt achte ich das Geschenk mit geliebter Zärtlichkeit und gegenseitigem Nutzen.


Folglich benannte ich sie nach Narian und ich las die Worte von Castigue und Kaolyen Greyborne immer wieder, öfters als die meisten der Schreiben die ich gesammelt habe. Ihre Blutsbande steht sinnbildlich dafür was die Einwohner von Terminus benötigten während des Götterkriegs. Und obwohl unvollendet hielt ihre Hingabe zum Entschlüsseln des Dragon Accords eine brüderliche Bescheidenheit aufrecht, welche heutzutage fehlt.


Ich sammelte wahre Freundschaft von diesen widerstandsfähigen Seiten und die Einsicht, die sie gewähren ist unvergleichlich.


…Ich fühle Angst und auch Ehrfurcht… solch ein beruhigendes Wunder das auf eine Zeit von Terminus Geschichte blickt und traurigerweise schlecht dokumentiert ist.

Die Wahrungen von Castigue I – „Vom Dragon Accord“

Kaolyen,

mein Kollege und mein Freund.

Auf deine Anfrage ist das unsere aktuellste Übersetzung des Dokuments welches wir “The Dragon Accord” genannt haben. Wohingegen ich betonen muss es ist ein fehlerhaftes und unvollständiges Bemühen, fühlen wir wie ein genaues aber dennoch beunruhigendes Bild zutage tritt…


historic-figures.jpgDas Abkommen schließt die Ankunft deiner Rasse sogar aus. Das ist vielleicht eine beschränkte Enthüllung für dich oder gar keine. Schon beansprucht sie unsere Aufmerksamkeit so wie entfernt klingende Trommeln die Ankunft einer Schlacht verkünden. Für solch tiefe Einblicke erhielten wir bemerkenswerte Hilfe durch die Zwerge von Khadessa, das heißt… zu Beginn. Sie teilten eine Anzahl von Pergamenten, Karten und Zeichnungen, die uns einen ersten Ansatzpunkt für die Nuancen der Drachensprache gaben. Ohne diese Auskünfte würden wir die durchsuchten Wälzer verkehrt verstehen, oder schlimmer, falsch. Allerdings wurde diese Verbindung inzwischen getrennt, ich fürchte der anschwellende Konflikt hat sie früher erreicht als sie es vorgezogen haben.


Die Myr waren weitgehend unerreichbar. Tatsächlich völlig unbemerkbar. Wie sie es schafften so nah bei den Ogern zu leben ist ein Rätsel. Trotzdem zweifle ich, dass sie miteinander reden. Wir hatten eine Expedition nach Osten geplant sobald der Schnee taut. Unser Ziel war das Volk der Ginto zu erreichen die ich jetzt als Remnant bezeichne. Es ist eine getrübte Hoffnung, unsere aktuellsten Berichte über ihre Niederlassungen sind fast drei Jahre alt und sie scheinen sich auf eine zurückgezogene Ansammlung in den noch weiter östlich gelegenen Königreichen zu fokussieren. Ich bin überzeugt sie würden vieles aufklären, wenn wir ihnen unsere Schriften zeigen würden. Allerdings bezweifle ich, dass wir diese Gelegenheit erhalten werden.


Zuletzt ist es nicht ohne ein Zeichen des inneren Konflikts, dass ich dir diese Schreiben anvertraue. Einige Kritiker in der Hierarchie über mir würde es bevorzugen, wenn derartige Informationen versteckt blieben in unseren Hallen. Bisher habe ich dafür entschieden ihre Genehmigung nicht einzuholen. Ich bin mir sicher ihre Hintergedanken sind nicht alle selbstsüchtig, aber dämmt eine tiefere, erlernte Befürchtung ein. Ich weiß, dass dieses Dokument viel Interesse auf sich gezogen hat… bedauerlicherweise. Wir haben einige sehr scharfsinnige Männer und Frauen verloren, begnadeter als mich, an tragische Ereignisse die ich lieber als Chance sehe. Scharfsinnigere Köpfe vermuteten Absicht. Ihre Bemühungen leben weiter in den Übersetzungen die wir erhielten, aber ihre Tode überschatten alle meine bewussten Bewegungen auf dieser Seite. Ich warne dich ehrerbietig aber aufrichtig die Nachforschungen bedacht zu delegieren.


Pass immer auf dich auf. Vergraben in meine Studien bin ich mir doch ganz des wachsenden Chaos bewusst in fast allen Ecken dieses Planeten. Vieles auf Terminus um uns herum zittert; ich weiß du fühlst es besser als ich. Wenn dich die Flut erreicht, sorge dafür, dass sie dich vorbereitet findet. Ich vermisse den Einblick deines Urteilsvermögens.


Ich reise jetzt in das Zwergen-Königreich nach Khadassa. Ich war nur wegen einiger verlässlichen Diagrammen oder Karten hier und muss jetzt durch Ländereien von unbekannten Bedrohungen. Du weißt das und warst so nett mir eine Eskorte aus Elfen anzubieten. Wenn es eine Möglichkeit gibt die Hilfe der Zwerge zurückzugewinnen, dann ist es das Risiko Wert für mich dorthin zu gehen aber wir sind wahre Leidensgenossen. Sollte meine Reise scheitern oder die Zwerge uns nicht helfen, dann liegt es an dir – kannst du die Drachensprache nicht entschlüsseln fürchte ich dieses Dokument wird sich für niemanden sonst eröffnen.


Dein Leidensgenosse in dieser Jagd,

Narian Castigue, 473 I.H.


Narian’s Hinweis: Meine abschließende Erkenntnis vor meiner Abreise war zu vermuten, dass es scheint dieses wurde in Drak’Elrin geschrieben, eine „tiefere“ und unklarere Drachensprache als Drak’Fane. Es ist möglich sie in eine Hochsprache zu übersetzen. Das hat sicherlich dazu beigetragen, dass wir Probleme bei der weiteren Übersetzung hatten.


Übersetzung beginnt…


An Rok’Nhilthamos, den Drachenkönig,

aus der Linie von Rok’Tsuntyensire, dem ersten Drachenkönig

Die Wahrungen von Castigue II – „Eine höhere Sprache“

Narian,


Der versteckte Pfad durch den einige Informationen durch diese Welt reisen hat deine Anwesenheit bei den Zwergen bestätigt – ich bin erleichtert. Übermittle Khadassa meine aufrichtigen Grüße; Ich habe das gefrorene Land zu lange vernachlässigt.


Bezüglich dieser Schreiben war ich überrascht, dass du in der Lage warst zwischen Drak’Elrin und Drak’Fane zu unterscheiden. Was du noch wissen musst ist, dass Drak‘Elrin nicht einfach nur ein höherer Dialekt der Drachensprache ist. Während Drak’Fane ihre Umgangssprache und Drak’Seun die Sprache der Reignborn ist (den Fürsten des Drachenkönigs), ist Drak’Elrin von einer komplett anderen Ordnung.


Über Jahrhunderte des Studiums seit der Ankunft auf Terminus haben die Elfen gelernt, dass Drak’Elrin die Signet-tongue (Siegelsprache?) des Drachenkönigs selbst ist. Es ist eine verstärkende Sprache, überladen mit Bezauberung. Wir sind uns nicht sicher ob es jemals laut gesprochen wurde, aber es wurde oft verwendet aus Gründen wie diesen. Einfach gesagt: Es ist eine Sprache von beispielloser arkaner Verschlüsselung. Leider reicht unser Wissen nicht für mehr. Sogar dieses Einsehen erhielten wir nur durch die Inschriften der verwitterten Grenzpfeiler, die einst das Gebiet der Reignborn markierten vor langer Zeit.


Zurück zur Sache des Dragon Accords, ich gehe davon aus du hast großartige Arbeit geleistet mit deinen Übersetzungsbemühungen durch heranziehen der dir zur Verfügung stehenden talentiertesten Schriftgelehrten. Dennoch gebe ich zu, die von dir gesendete Kopie war… ungenau, deshalb muss ich davon ausgehen das Dokument das du hast ist nicht das Original. Wie auch immer, zu meiner Überraschung erwiesen sich die Fehler der Schriftgelehrten als glücklich für uns, sie führten uns nicht den erhofften Pfad entlang, zumindest nicht direkt.


Was auch immer in diesem Dragon Accord steht muss von unschätzbarem Wert sein – sicher, es spricht von Plänen jenseits unserer Vorstellung. Der Zeitraum über den es wacht, wurde durch eine fremde Macht von Drak’Elrin ist unfassbar, viel fester im Griff als ich mir vorstellen könnte. Meine Neugier wurde in ganz außerordentlichem Maß geweckt.


In eingegrenzten Bemühungen, mit der Hilfe unseres mächtigsten Thaumaturgen, habe ich anfangs an der von dir gesendeten Abschrift gearbeitet um die Fehler zu finden. Als ich anfing sie zu korrigieren, stellte sich die Freud und der Wahnsinn des wahren Accords heraus. Unser erster Versuch ließ uns fieberhaft schuften um das Dokument intakt zu halten, da es sich unerwartet in eine winzige Kugel verformt hat – schwer wie ein Eisenblock, allerdings besser komprimiert als ein kleines Juwel. Wir arbeiteten bis spät in die Nacht um das Dokument in seine ursprüngliche Form zurückzuholen.


Wegen dieses beunruhigenden Ereignisses machte ich mich daran mehrere zusätzliche Kopien des Pergaments zu erstellen. Immer wieder fand ich dieses seltsame Verhalten vor: Gerade als ich die Kopie schrieb, sobald es mehr als zwei davon gab verschwand die erste Abschrift komplett. Zu allem Unglück stellte ich dieses Verhalten erst nach vielen verschwendeten Mühen und fast zwanzig leeren Seiten fest.


Unter Berücksichtigung dieser Dinge kam mir eine Idee:


Diese Drak’Elrin Magie ist so mächtig, dass eine bloße Kopie der Symbole die volle, beschützende Macht des originalen Dokuments heraufbeschwören würde, egal wo es sich auf dem Planeten auch befinden würde…


Schnell wendete ich mich Experimenten dieser Art zu, gespannt zu erfahren was ich dadurch lernen würde:



Als ich die Symbole in einen getrockneten Streifen Eiche einritze, wurde er nicht verbrannt. Zumindest nicht sofort. Von Flammen verschlungen barg ich ihn allerdings zweimal mit Erfolg. Wie auch immer, nach einer kurzen Zeit verschwanden meine Schnitzereien. Warum? Ich weiß es nicht, aber im Anschluss fing der Streifen sofort Feuer.


Wenn auf frischem Pergament geschrieben konnte ich das Dokument in Wasser, Schlamm, ätzendes Gift (aus einiger Entfernung) und andere ähnliche Flüssigkeiten tauchen und das Pergament bliebt trocken, auch nicht verschmutzt und kein bisschen beschädigt. Das Papier zog nicht einen einzigen Tropfen ein. Diese Widerstandskraft verschwand wieder zusammen mit der Tinte.


Kürzlich hielten wir unser Fest der Waffen. Vor der Bogenschützenprüfung schrieb ich nur zwei Symbole aus dem Accord auf die Rückseite eines der Ziele, dünne, saubere Stiche. Als die Pfeile auf dieses Ziel zuflogen prallten sie erwartungsgemäß ab, unabhängig vom Winkel, keiner blieb stecken. Glücklicherweise verschwand die Tinte bevor neugierige Kampfrichter das Ziel kontrollieren konnten.


Ich wurde maßlos, regelrecht betört von diesen Versuchen, da jede Bestätigung mich dem wahren Accord näher bracht. In meiner Jugend liebte ich diese Mysterien weit mehr als ihre Antworten und ich wäre dir keine Hilfe gewesen. Gnädiger weise habe ich lange genug gelebt um mich selbst zu erkennen…


Mein Freund, ich befürchte die Zwerge werden dir nicht helfen bei dieser Anstrengung. Um ehrlich zu sein, ich weiß sie können es nicht. Wir haben eine Pattsituation die nicht aufgelöst werden kann durch sammeln von heiklen Bruchstücken übersetzten Pergaments, entschlüsselten Runen, ausgraben ganzer Folianten oder an Sagen appellierend. Es ist keine Frage von noch mehr Nachforschungen. Es ist noch nicht einmal eine Frage von Magie, Narian.


Es handelt sich darum kein Drache zu sein.


Meine Worte klingen endgültig, so wie sie sollen. Wie auch immer, ich hoffe meine Antwort wird möglicherweise eine andere Tür öffnen und keine unüberwindbare Schlucht öffnen.


Antworte sobald du in der Lage bist. Ich werde die Reise zu den Remnant an deiner statt antreten, obwohl ich Gründe habe sie ausfindig zu machen, die über den Accord hinausgehen…


So wahr ich zurückkehre, ich muss näher an die Stadt ziehen. Meine Anwesenheit im Rat wird notwendiger als es Gerüchte von Konflikten gibt, die jede Region, Rasse und Königreich bedrohen. Ich weiß noch nicht genug, aber wisse: Die Tür, die dir offensteht in dieser Suche beginnt sich zu schließen.


Sei weise.


Kaolyen Greyborne, 474 I.H.

Die Wahrungen von Castigue III – „Eine Nacht mit fünf Stimmen“

Kaolyen,


Vergib meinen Worten wenn sie vergeudet sind und meiner Tinte wenn sie verschmiert ist, da ich gerade eine Lehrstunde in Eile erhalten habe und egal ob ich kaum lebendig oder gänzlich in Sicherheit bin, die Strecke die ich vor dem Unheil geflohen bin zwingt mich zu einer Rast.


Ich sollte sagen „wir“ sind geflohen. Leider — erlaube mir die ganze Geschichte zu erzählen…


highbrace.jpgDeine letzte Antwort war willkommen obwohl gewiss schwer zu akzeptieren. Ich las jede Zeile mit wachsendem Elend. Sogar inmitten dieser Hallen der Oldassan Citadel von Khadassa mit ihren schieren und strahlenden Errungenschaften von Architektur und Design, glänzend wie ein endloser Sonnenaufgang, ließen mich deine Schlussfolgerungen erschreckt und freudlos zurück.


Mein erster Entschluss war, jede Verbindung, die ich unter den Zwergen hergestellt hatte, nach einem Einblick in unser neues Dilemma zu durchsuchen. Das war natürlich egoistisch und verrückt. Es hat mir nichts gebracht und nach einem solchen Austausch mit einem älteren Zwerg (namens Oldurn, glaube ich), schlug ich mit meiner Faust aus Frust auf eine Steinstatue ein. Aus Mitleid mit meinen Gefühlen, wandte er sich mir zu und machte einen einfachen, aber klaren Vorschlag.


„Vielleicht solltest du aufhören Zwerge nach der Sprache der Drachen zu fragen, Narian.“


Als ich sah, wie er sich langsam die offene Halle hinunterschleppte, hatte ich eine wilde Idee. Ich rannte in mein Zimmer, wusch und verband meine verletzte Hand (die immer noch in dieser kalten Luft schmerzt) und bereitete mich darauf vor, meinen eigenen Weg zu finden – ja, es klingt jetzt völlig dumm, aber – ein Drache.


Durch die Vorsehung wurde dieser Wunsch durch den Wind des nächsten Morgens ruiniert, indem dichte Schneewehen vor den Fenstern meines Schlafgemachs vorbeizogen. Diese Zitadelle ist atemberaubend, Kaolyen und ich waren gezwungen, den starken Winter in Kauf zu nehmen, vor dem sie mich beschützte. Solch ein Winter lag in den Grenzen zu Khadassas und ich kannte keinen Weg heraus, durch ihn hindurch, oder den Weg zu irgendetwas wie einem Drachen. Ich begann meine Entschlossenheit in Frage zu stellen, sogar meine Empfindungen. Torheit kroch über mich in einer Art und Weise, wie ich mich als Junge gefühlt hatte, als ich zum ersten Mal auf echte Männer des Krieges traf, und mein Holzschwert war zu beschränkt, um irgendwas außer Luft zu spalten…


…Ich war ein Kind, als ich zum ersten Mal einen Drachen sah. Ich hatte eine Faszination für die Vögel von Terminus, und die bewaldeten Ebenen um Havensong sind reichlich von ihnen bewohnt. Ich saß in einem solchen Hain, als ein Schatten über mich fiel, tatsächlich wurde der gesamte Hain von einer flüchtigen Dunkelheit verfinstert. Höher als die nebligen Wolken, die um die Roans herum schweben, flog das Biest und kreiste zweimal, was ich beobachtete. Ein schlichter, geräuschloser grauer Drache, der auf den Windströmen segelte, die durch den Himmel bliesen. Dieser Titan, massiv und doch unspektakulär unter den Heerscharen der Drachenart, gleitet wie die kleinste Möwe. Meine Augen jagten ihm nach, und obwohl ich aufgebracht rannte, flog mein Blick ihm atemlos hinterher, als er in langsamen, leichten Schlägen nach Osten flog, bis ich ihn nicht mehr sehen konnte…


Der Morgen danach, an dem ich in diesem Winter aufwachte, schimpfte ich mich selbst für das Erwägen solch einer Idee aus der Nacht und verfiel in Unwohlsein und etwas wie Traurigkeit. Ich lehnte Essen, frische Kleidung und alles außer Met ab. (Das war nicht nur Schwäche. Die Oldassan Zwerge brauen es mit etwas anderem als Honig. Stark, aber nicht sauer, und heiß – wie Feuer am Anfang, aber mit einer Kühle endend.) Tage vergingen, wie viele bin ich mir nicht mehr sicher, denn sie rollten alle wie kleine Steinchen zwischen meinen Füßen und dem Steinboden. Schwach ging ich über sie hinweg, für gewöhnlich in mein Bett.


Ich hatte so seltsame Träume an diesen Abenden, dass ich oft verschwitzt und in Panik erwachte. Doch inmitten einer friedlichen Nacht wurde ich von einer vermummten Figur, scheinbar ein Zwerg, mit einer unbekannten Stimme wachgerüttelt.


„Schnell, steh auf. Es gibt warme Kleidung auf der anderen Seite des Bettes. Zieh sie an, und zwar alle, und beeile dich damit.“


Ich fühlte keinen Grund zum Widerspruch, so sicher war diese Stimme und so unsicher war ich, dass dies kein weiterer Klartraum war. Die Gewänder waren dicht und schwer und neben einem glühenden Feuer fühlten sie sich unerträglich warm an. Derjenige, der mich aufgeweckt hatte, kehrte nach wenigen Augenblicken zurück, tadelte mich erneut mich mit meinen Stiefeln zu beeilen, und bot unbehaglich Hilfe an, was ich ablehnte.


Wir gingen in die Halle und dann ein oder zwei Gänge hinunter. Bald waren wir an mir unbekannten Orten, die mir eine Tiefe der Zitadelle eröffnete, die ich mir nicht vorstellen konnte.

Gerade als ich das Bedürfnis verspürte, meine ersten Worte des Abends zu sprechen, hielt mein Führer (ich war mir jetzt fast sicher, dass er Zwerg war, wegen seiner Statur) vor einer fugenlosen Steinmauer an und packte abrupt mein Handgelenk.


„Wenn ich verschwinde und du mich nicht mehr sehen kannst, drücke genau…hier.“ Der Zwerg drückte meine Hand auf eine völlig unscheinbare Stelle auf der hoch aufragenden Platte, als ob sie deutlich markiert wäre.


„Wenn ich weg bin, verstanden?“ Ich nickte ihm zu. „Gut.“ Der Zwerg hielt inne, studierte mich eine Zeit lang was sich unangenehm anfühlte, vermutlich mein starkes Schwitzen bemerkend. Schließlich sagte er: „Ich will nicht wissen, was du willst, aber das wird ein Leben lang so sein, Mensch.“


Er hielt wieder inne, wütend, dann wandte er sich ab und murmelte eine Handvoll unmerklicher Phrasen, ließ mich in fast völliger Dunkelheit zurück und meine Hand lag immer noch fest auf dem Stein. So wartete ich, gähnend, und als ich ihn nicht mehr sehen konnte, drückte ich.


— — — — — —


Eine sechsseitige Scheibe des Steines gab nach, obwohl ich beide Hände zum Schieben brauchte. Als dieses Stück bis zu meinem Ellenbogen hinein gedrückt war schob sich auch eine sechsseitige Tür hinein, die sich aus dem nahtlosen Fels abzeichnete. Erstaunt schlüpfte ich in eine absteigende Halle mit Lichtkugeln, die an jeder Wand befestigt waren. Frische Luft pfiff um mich herum aus dem Verborgenen und ich begann die Kleidung sehr zu schätzen. Die versteckte Tür versiegelte sich dann hinter mir. Ich drehte mich schnell, legte eine Hand auf den gefrorenen Stein und verweilte dort für einen Moment und ließ meine Finger über die Rillen und glatten Stellen gleiten. Ohne Alternative drehte ich mich zurück zu der versteckten Halle und lief die in Stein geschnittene Treppe für eine geschätzte Viertelstunde hinab.


Gegen Ende meines Abstiegs begann ein unerwartetes Geräusch die Stille zu überlagern. Es war ziemlich alarmierend, als ich es erkannte, aber unverkennbar: Die Geräusche, die die Küstenwellen erzeugen, wenn sie gegen den Felsen donnern. Ich wurde an die Zeile aus dem Seemannslied erinnert, das ich oft in der Taverne von Ru’lun gehört hatte: „Die Gezeiten! Ein Lied, das nie schläft.“


Und in diesem Moment sehnte ich mich auch nicht mehr nach Schlaf, denn mitten in der Nacht begann mein Verstand zu erwachen. Als ich den letzten Schritt auf eine schmale Anlegestelle verließ, sah ich einen weiten Abschnitt des Meeres mit schleierhaftem Nebel und einer dünnen Küste dahinter. Unter den von funkelnden Sternen war die Harmonie ein Puffer für die beißende Kälte.


Es gab auch ein Boot, nicht viel größer als ein gewöhnliches Beiboot. Es wurde von einer sehr großen, seltsam platzierten Statue bewacht… mit einem Kapuzenmantel, der das Gesicht verdunkelte —

“Guten Abend, Narian von Havensong.”


Eine verhüllte Statue, die jetzt sprach, natürlich… zu mir.


„Wie bitte?“ rief ich aus während ich fast rückwärts ins Wasser fiel. „Ich bitte um Verzeihung, Sir.“ Sir?“


Ich dachte, ich hörte ein Kichern als Antwort.


Unbeeindruckt von meiner Überraschung und mich scheinbar erwartend, bewegte er sich zum Boot.


„Die Zeit darf nicht vergeudet werden, junger Castigue.“


„Natürlich“, antwortete ich dankbar. Seine Stimme war tief und kräftig, auch wenn sie weich war, fast so, als würde sie aus einer riesigen Höhle aufsteigen oder durch eine prächtige Kathedrale getragen, bevor sie seinen Mund verließ, ohne ihre Fülle zu verlieren.


Das Boot war stabiler, als ich erwartet hatte. Es fühlte sich natürlich an, im Bug Platz zu nehmen und ich sah zu, wie die hoch aufragende Figur anmutig am Heck Platz nahm. Ich bemerkte vermutlich einen ziemlich breiten Griff oder einen Stiel als sich sein Mantel hob während er sich setzte, hinter seiner linken Schulter.


Wir machten uns auf den Weg bei leichtem Wellengang. Obwohl ich es zu dieser Zeit nicht bemerkte, bin ich mir immer noch nicht sicher wie genau das Schiff bewegt wurde, denn keiner von uns ruderte. Es gab keine Ruder oder Segel und trotzdem kamen wir gut voran. Mein stoischer Begleiter hielt das Ende eines Steuerknüppels unter seinem rechten Unterarm, was uns auf einer präzisen Linie zum Ufer hinhielt, dass nun in der Ferne klarer wurde. Aus Mangel an Bewegung begann ich zu frieren.


Die brechenden Wellen sagten voraus, dass wir uns dem Land näherten, und ich konnte nun eine andere Gestalt erkennen, getarnt und unbeweglich, die auf dem schneebedeckten Ufer stand. Als wir anlandeten, dachte ich an die letzten Worte des Zwergs, der mich aufweckte und wie leicht ich sie hingenommen hatte. Ich war nun in einem neuen Reich, in der Dunkelheit der Nacht, in Gesellschaft von zwei unbekannten Gefährten, deren Namen ich nicht kannte und sicherlich auch nicht ihre Absichten. Mein Selbstgespräch wurde unterbrochen, als derjenige am Ufer seinen Kopf hob, um uns zu begrüßen. Unter seiner Kapuze waren drei verschiedene, glühende Lichter, hell und vielleicht brennend. Sie waren in einem dreieckigen Muster angeordnet – zwei müssen Augen gewesen sein, dachte ich. Als er sprach, hatte seine Stimme das zarteste Echo von sich selbst, eine Resonanz, die kaum wahrnehmbar war —


„Als du den geheimen Charakter der heutigen Ereignisse betontest, Khazas“ begann er: „Ich dachte, du würdest sicher schwimmen, anstatt ein Boot zu riskieren.“


Ich war mir sicher der ausgesprochene Name müsste ein Fehler sein.


„Wenn eure Leute von den Abenteuern ihres Königs mitten in der Nacht hören würden… naja, das wäre nicht gut.“


Das behalte im Vertrauen, Kaolyen. Als wir das Ufer betraten, befand ich mich im Gleichschritt mit dem High Mortal der Oldassan Zwerge, den sie liebevoll als Vater bezeichnen und doch mit absolutem Respekt fürchten. Seine Macht und sein Urteilsvermögen waren in den Seelen aller Zwerge, denen ich begegnet war, so groß, wie? das Opfer seiner Unsterblichkeit. Das war mein Fährmann…. Khazas, “The Refuge”? In diesem Moment stolperte ich in dem dichten Schnee, taumelte fast wieder ins eisige Wasser und brauchte viel zu lange, um mein Gleichgewicht wiederzuerlangen.


Glücklicherweise lenkte Khazas‘ volles Lachen von mir ab, und der gut getimte Kommentar unseres neuesten Gefährten auf meine Kosten hielt das Lachen des Zwergenkönigs für einige Augenblicke aufrecht.


„Rel-Cirin, du garnierst deine Rede wie ein Meisterkoch.“ Aber als sein Lachen nachließ, fiel eine Nüchternheit auf beide. Ich fragte mich, ob das die einzigen Lacher sein würden die wir auf dieser Reise teilen würden.


“Narian von Havensong, das ist Rel-Cirin von Su’Roa, der Insel von den Archai.” Rel-Cirin senkte seine Kapuze komplett und ich bemerkte, dass sie aus einem merkwürdigen, fast mineralischen Stoff war, mit leichten Kratzern überall, aber sie ruhte wie ein Tuch auf seinen breiten Schultern. Seine Haare waren weiß, wie der Schnee unter unseren Füßen. Von den drei brennenden Flecken waren zwei tatsächlich seine Augen, aber sie schimmerten wie Juwelen. Die dritte Flamme war in der Mitte seiner Stirn zentriert, und die dünnsten Adern glühender Hitze zogen sich organisch über sein Gesicht, ausgehend aus seinem Mund und seinen Augen.


“Willkommen, Narian.” Er zog die Kapuze über und fing an, uns zu führen. „Mein Volk wird von deinem Namen und von dieser Nacht hören, glaube ich.“ Khazas räusperte sich. „Natürlich, wenn auch erst in einiger Zeit.“


Wir beide folgten ihm in die Schneelandschaft. Ich erzähle dir sehr wenig von diesem Teil der Reise, da es schlecht zu ertragen war und wahrheitsgemäß erinnere ich mich nicht an viel. Ich weiß, dass wir eine Zeitlang gewandert sind, mehr als einmal dachte ich, ich hätte geschlafen, während wir gingen. Es schien, als ob die Dunkelheit der Nacht verstärkt wurde, denn es hingen Finsternis und Schatten in der Luft. Es war bitterkalt und das Land selbst war gefroren. Inmitten dieser Umgebung verwandelten mich die bloßen Schritte meiner beiden Gefährten, verbunden mit welch mystischen Kräften auch immer die ihre Körper verstärkten, wieder in das Kind mit Stöcken als Waffen, und ich konnte nicht verstehen, warum ich dort war. Für all die Stunden konnte ich kaum unsere Richtung erkennen. Endlich hatte ich den Mut, eine Frage über meine kalten Lippen zu stottern.


„Wohin, k-uh… König — oder, Rel-Cirin? … Wohin könnten wir alle, wir drei… wohin gehen wir?“ Beide verlangsamten ihr Tempo ein wenig.


„Wir werden deine Antworten finden, Narian.“ antwortete Khazas. Ich flüsterte mir die Aussage wieder zu, langsam erkennend was gemeint war. „Wir umgehen Tenebrous Tundra, den großen Puffer zwischen uns und dem Kingdom Underneath, und tun dies in der Nacht für –“


„– für was?” schaltete ich mich ein. „Oh. Vergebt mir. Es ist nur, dass dies sicherlich nicht die Tundra ist, die wir auf unserem Weg nach Khadassa durchquert haben. Was ist Tenebrous? Und welches Königreich könnte hier draußen existieren?“


Das erhebliche Knirschen der Eiskristalle verlieh dem Warten ein angespanntes Tempo. Rel-Cirin’s Stimme hing in der Luft, wie die Bänder der dunklen Auren am Himmel über uns.

„Du brauchst einen König, Mensch. Aber du musst nicht alle Geheimnisse des Königs kennen.“


Danach sind wir schweigend gewandert, vielleicht eine Stunde lang. Als wir gingen, erschien plötzlich aus der endlosen Dunkelheit eine gewaltige Silhouette vor uns. Als ich genauer hinsah, konnte ich eine Reihe von ihnen in die Ferne sehen; ob aus Eis, Stein oder Gold, so seltsam dunkel waren sie, dass ich sie nicht einschätzen konnte. Khazas‘ Stimme brach die Stille.


„Wie lange wird das dauern?“


Rel-Cirin drehte sich nicht um. „Augenblicke, wie gesagt.“ Er führte uns auf eine eisige Platte, als ob ein gefrorener Fluss einen gewundenen Pfad zwischen diesen sich auftürmenden Klippen gebildet hätte. Der Zwergenkönig fuhr fort: „Und wie lange noch bis dahin?“


„Das kann ich nicht so einfach sagen“, antwortete Rel-Cirin, als er uns zum Stillstand brachte. Vor uns waren pure, unbehauene Wände von relativ hohen Klippen. Ich konnte fast das Lächeln des Archai hören, als seine felsigen Arme die einfache, aber majestätische Kapuze senkte. Doch als ich sah, wie Rel-Cirin sich der Basis des turmartigen Steins näherte, bemerkte ich ein unnatürliches Element auf der Oberfläche des Felsens.


Unter dem hohen Mond schien die düstere Luft um uns herum dünner zu werden, als sich ein Lichtschimmer über den rohen Stein entfachte, wie eine Explosion, die in der Zeit eingefroren war. Sich höher erhebend als selbst Khazas war, platzt dieser in zwei schöne Flügel auf, die nur als subtilen, metallischen Kontrasten im Stein bestanden. Ein Geflecht, akribisch und kompliziert, geätzt in einer Art und Weise, die von Meisterschaft zeugte – auffallend kräftig und doch weich und verborgen zugleich. Ich habe nichts dergleichen auf ganz Terminus gesehen.


Khazas räusperte sich und schob mich buchstäblich hinter sich. Denn in meinem Studium habe ich es versäumt, Rel-Cirins gebeugte Haltung zu beobachten und seinen ausgezogenen Umhang an seiner Seite. Die dünnen Glutlinien auf seinem Gesicht zogen sich als tiefrote und orangefarbene Adern über seinen nackten, dunklen und muskulösen Rücken. Es war ein lebhafter Kontrast zu den zarten Schneeflocken, die in seiner wachsenden Hitze fielen und verdampften. Er gab ein leises Grollen von sich, wie ein Vulkan, der Druck aufbaut.


Als ich an Khazas‘ Gewand vorbeischaute, sah es so aus, als ob die Hände des Archai in den Felsen gesunken wären. Die Schimmer in der Felswand begannen zu leuchten. In wenigen Augenblicken war jede einzelne Metallflocke lebendig, verwandelt in einen glorreichen und funkelnden Schimmer. Dann begannen sich die strahlenden Schimmer im Stein selbst zu verfolgen. Sie flogen wie Sandkörner vor einem nahenden Sturm, aber in perfektem Einklang. Ihr vereinter Klang war eine Partitur aus Knistern.


Als die helle Symphonie endlich zu Ende ging, musste ich wegen dem Vollbrachten nach Luft schnappen. In einem Beben drehte ich Khazas den Rücken zu, aber ich hörte den High Mortal ausatmen und schätzte erneut die Gesellschaft, in der ich mich befand. Ich dachte an dich, Kaolyen, und an unsere Forschung. Sogar die Epoche unserer Völker, die meisten haben den Wunsch verloren zu wissen, warum wir alle hier an Terminus gebunden und aus unseren eigenen Welten und Reichen vertrieben wurden. Ich habe dieses Verlangen nicht verloren, und ich glaube auch nicht, dass du es verloren hast.


frostdragon.jpgIch stand da, inmitten der verblassenden Lichter, die um den schwer atmenden Archai herum schwelten, und erkannte das Bild, das jetzt im noch rauchenden Stein zu sehen ist: ein bedrohlicher, geflügelter Drache.


“Tel’Nharssis. Der Schneedrache.”


Wenn Khazas‘ Ton auch nur einen Bruchteil weniger begeistert gewesen wäre, hätte mich der Anblick in Ohnmacht fallen lassen. Trotzdem ließ er mich zitternd zurück und ging zur Felswand, lautlos zog er seinen mythischen großen Hammer aus dem Rücken. Mit einem mühelosen Schlag schlug er den Kopf des Hammers gegen den Stein und löste einen scharfen Klang aus, der von den Felsengängen um uns herum zurückgeworfen wurde. Ein Durchgang öffnete sich als Reaktion und breitete sich weit vom Einschlag aus.


„Völlig übereifrig, König.“ Rel-Cirin zog seinen Umhang an, das Wasser um seine Füße gefror wieder zu Eis, als es zusammen mit seinem Körper abkühlte. Dann bemerkte ich die Obsidianklinge in der Erde. Er nahm sie auf und steckte sie mit einem artistischen und routinierten Wirbel in die Scheide an seiner Taille.


„Nur ein Klopfen, General. Es war gütig dieses alte Tor zu öffnen.“ Khazas überprüfte schnell die Felsspitzen um uns herum. Schweigen schien seine Konzentration nicht zu beruhigen. „Wie lange haben wir Zeit?“


„Eine Stunde vielleicht.“ Rel-Cirin nickte in Richtung Khazas‘ Hammer. „Stellt sicher, dass ihr mit eurem ‚Klopfer‘ zurückkehrt.“ Dann ein Satz, den ich am merkwürdigsten fand: „Der kranke Wächter hat alles gesehen.“


Khazas zog einen Stab unter seinem Umhang hervor. „Davon war ich überzeugt.“ Der Stab sah aus wie ein einfacher Stock in seiner Hand. Er schlug ihn gegen den Felsen und das Ende entzündete sich. Seine Augen drehten sich zu mir und er legte ihn vorsichtig in meine offene, zitternde Handfläche. Dann kniete er sich nieder, bückte sich vor mir und war doch noch viel größer.


„Ich warne dich jetzt vor dem was wir bald sehen, Narian.“ Unsere Augen begegneten sich, die aufsteigenden Winde überwindend, die auf mein Gesicht peitschten. „Egal, wie er dich sieht, seine Sorge gilt nur sich selbst. Vergiss das nicht.“ Ich nickte energisch. Er wandte sich an Rel-Cirin und flüsterte, „Einen Augenblick“, dann verschwand er in der Höhle.


Alleine gelassen ging ich auf den Archai zu. „Ist das der einzige Weg hinein?“ Ich streifte den Griff der gegenüberliegenden Tür, Fingerspitzen spürten die Hitze.


„Nein.“ antwortete Rel-Cirin. „Aber für uns schon.“


„Ah, ich verstehe. Nun, wird dieser Drache… verärgert sein, wenn wir ihn finden? So spät und unangemeldet?“


„Der Schneedrache ist nachtaktiv.“ Er legte eine Hand auf meine Schulter. „Und er weiß bereits, dass du hier bist.“ Seine Worte schwebten wieder über mir.


„Richtig.“ sagte ich. „Der ‚Wächter‘ und all das.“ Ich lächelte aus aufrichtiger Unbehaglichkeit, aber sein Gesicht blieb so starr wie seine Haut.


Khazas tauchte aus dem Gang auf und winkte mich zu sich. Hierbei drehte Rel-Cirin der Öffnung den Rücken zu und der Zwergenkönig und ich gingen in die Dunkelheit.


— — — — — —


Trotz der Fackel (oder wegen ihr) hielt ich mich in der Höhle in der Nähe von Khazas auf und erkannte schnell, dass das Licht für mich war, da er keine Notwendigkeit dafür zu haben schien. Zum ersten Mal auf unserer Reise hörte ich die Rüstung unter seinem Umhang knirschen und meine Kehle zog sich zusammen. Der ganze Ort schien eng zu sein, selbst für einen Menschen – wie der großgewachsene High Mortal sich hier bewegte war ein Beweis für seine Geschicklichkeit. Jeder Schritt war entweder gefroren oder nass. Die Durchgänge wurden ständig von Luftbrisen durchzogen, die aus unsichtbaren Rissen in der Bergkruste stammten. Ich redete mir ein, dass dies der Grund für die oft beunruhigenden Geräusche war, die durch die unzähligen dunklen Passagen und Tunnel auftraten, an denen wir vorbeikamen.


Khazas‘ Tempo fühlte sich an wie eine Leine um meinen Hals. Er konnte sprechen und klettern ohne eine Anstrengung in seine Stimme.


„Du trägst dieses angebliche Dokument jetzt bei dir, nehme ich an? Tragisch, den ganzen Weg nur für unsere Gesundheit gemacht zu haben.“


Ich muss etwas zu lange geschwiegen haben, denn Khazas‘ Stimme wurde weicher. „Narian, wenn du mit einem Zwerg gesprochen hast, hast du auch mit mir gesprochen.“


„Das tue ich, Sir.“ Meine Antwort war vergleichsweise angestrengt.


Ja, Kaolyen, von der Zeit an, als ich dein „präzises“ Exemplar des Abkommens erhielt, hatte ich die meiste Zeit des Tages damit verbracht, es um meinen Körper zu binden, aufgerollt in der Krümmung meines Rückens, die Schnur knapp unter meiner Brust eingeklemmt – selbst als ich schlief. Es war immer noch so an meine Wirbelsäule geschmiegt, als wir uns durch den Tunnel arbeiteten, und Khazas fragte nicht weiter.


Und so ging unsere Reise weiter. Das Gelände selten hilfreich, aber fast nie ein Hindernis. Die Passage wand sich, ragte hervor, kehrte sich um und hörte zeitweise ganz auf. Aber in diesen Sackgassen hatte ein unerschrockener Entdecker eine Öffnung herausgearbeitet und abgestützt, scheinbar schon lange vor unserer Ankunft.


„Ihr kennt euch gut aus“, sagte ich. „Es würde meinen Verstand ermüden, mich an irgendetwas an diesem Ort zu erinnern.“


„Ich kenne den Weg, weil ich mich nicht auf meinen Verstand verlasse“, antwortete er.


Ich verfiel erneut in Schweigen. Obwohl ich es nicht wissen konnte, war die Reise fast beendet.


Unsere Ankunft auf dem Gipfel kam plötzlich. Die dicken Mauern fielen zurück und unsere Aussicht erweiterte sich sofort. Die Winde kräuselten sich wie Wellen unter einer tiefen Meeresböe, pfeifend und donnernd jenseits unserer Sicht.


Die Höhe war in den Schneeböen nicht wahrnehmbar, aber ich konnte die Höhe spüren. Vor uns war ein grenzenloses Schwarz, das zu dicht war, um von der Fackel durchbohrt zu werden. Obwohl in den Momenten, in denen der Wind nachließ, das Mondlicht über den Umriss eines zerstörten Gebildes fiel, so etwas wie ein verlassener Altar. Gebrochene und gestürzte Säulen, die verbrauchten heiligen Elemente mit einer Schraffur aus tiefen Narben.


Aus diesem blendenden Sturm von Wind, Schnee und Fackelschein wurden wir begrüßt, bevor ich sehen konnte, was uns erwartete.


„Was bringt den Mountain Shaper zu meinen kärglichen Schlafplatz – allein?“


Der Klang der Stimme schwingt immer noch in meinem Geist mit, lebendig und klar. Wie Krallen über glatten Steinen glitten seine Worte in mein Ohr, melodisch klickend. Doch sie siedelten sich an wie ein Wagen voller Asche, schütteten alles auf einmal ab und schufen ihre eigene Totenwache. Das Kavernendach hinter uns verstärkte die Rede mit dem Wind und ich fühlte mich von einem unsichtbaren Riesen umgeben, der sich hinter dem Mantel der Nacht und des Schnees versteckt hielt. Obwohl ich in Momenten ein ätherisches Leuchten von blau-grünem Licht als Blitz in einer Gewitterwolke sehen konnte.


„War der Feuergeist nicht mutig genug, sich euch anzuschließen? Erbärmlich. Oder sicher hätten ein paar Zwerge die Gelegenheit genossen mit ihrem Vater zu reisen und Geschichten mit nach Hause zu bringen, um sie unters Volk zu bringen? Es sei denn… du musstest das vor ihnen geheim halten, o König?“


Falls Khazas auch nur im Geringsten amüsiert war, zeigte er es nicht. „Vielleicht solltest du ins Licht treten, denn du hast die Zahl derer vor dir falsch gezählt.“


Dies löste einen guten Effekt bei der Bestie aus. Zwei Windstöße fingen sich plötzlich vor uns an zu wehen, fegten den Schnee wie Vorhänge auseinander und warfen mich zu Boden. Und durch den offenen Schleier ging der Drache Tel’Nharssis auf uns zu, die Stufen des verfallenen Altars hinunter.


„Ich habe nichts übersehen, Khazas.“ Tel’Nharssis versteckte seinen Unmut. „Erkläre mir deinen Grund, oder verschwinde.“


Ich wage zu behaupten, dass Tel’Nharssis vor uns vorbeimarschiert ist, eine Mischung aus Gleichgültigkeit und Darstellung. Der Boden bebte kaum, als er sich bewegte, jedes dicke Bein wurde vollständig von den Fingern der Klaue gestützt. Elegant und entsetzlich. Die weißliche untere Haut trug eine umgedrehte Dornenkrone, die ihn die Körperflüssigkeit kontrollieren ließ. Seine obere Haut war eine Mischung aus Aschegrau und beinahe schwarz. Im mondgemischten Fackelschein schimmerte sie einmal wie poliert oder flüssig aufgetaut und dann wieder gefroren.


Seine Flügel sind im geschlossenen Zustand schräg nach oben gebogen, wie ich es nur bei den großen Schwänen gesehen habe, die sich im Innenhof von Havensongs Ehrengärten versammeln. Im geöffneten Zustand schienen diese fliegenden Arme überdimensioniert. Lang und dünn, aber ansonsten unvergleichlich, denn ich habe noch nie eine andere angeborene Besonderheit wie die Flügel eines Drachen gesehen.


In seinem Nacken war das hypnotisierende blau-grüne Licht, das sanft mit seiner Stimme pulsierte. Entlang seiner Kehle wuchsen große und scharfe Stacheln. Sie schienen aus getrübtem Eis zu sein, und ich nehme an, dass das Tier sie selbst geschärft hat, denn sie sahen eher aus wie die Klingen eines Dolches als wie Stacheln auf einer Schlange. Diese liefen auch an seinem Rückgrat entlang und verschwanden hinter dem Schädelkamm, wobei die Zahl abnahm, aber ihre Größe zunahm. Ich zählte acht oder neun, einige mit abgebrochenen Spitzen. Sie standen wie aufrechte Eiszapfen, breit und abgewinkelt, was Tel’Nharssis eine natürliche Geschmeidigkeit verlieh. Dies erinnerte an das Bild an der Archai Tür, und ich fand es bewundernswert genau und doch unvergleichbar mit der Realität.

Seine Nase war nicht lang, aber sie passte wie ein Schild, dessen Spitze rau und schillernd war. Die Speichelausstöße aus seinen Nasenlöchern und Mund verkrustet oder gefroren, genau konnte ich das in der Dunkelheit nicht erkennen.


Als Tel’Nharssis seinen Körper fallen ließ und sich hinlegte, ließ er den Berg unter seinem Gewicht zittern und signalisierte Missachtung. Seine Haltung spiegelte Langeweile wider. Khazas lehnte sich an einen sperrigen Felsbrocken als wäre es ein gewöhnlicher Stuhl.


„Wir benötigen deine Sprache.“ fing der High Mortal an. „Eher eine von den Besonderen.“


Tel’Nharssis sah uns nicht einmal an. „Weiter“, sagte er.


Khazas warf mir einen Blick zu. Ich nickte mit dem Kopf viel zu heftig für eine Bestätigung.


„Wir sind verwirrt von der Drachenzunge Drak’Elrin, guter Herr, äh, guter Drache, Herr.“ Ich fürchte, mein Kopf nickte noch. „Wir ersuchen verzweifelt euren Rat um Führung und Erleuchtung.“ Lange Momente vergingen und ich spürte meine Nervosität und wie ich den Atem in meiner Lunge anhielt.


„Was will man von mir, Khazas?“ Ich dachte, der Drache wäre fast verwirrt, aber er machte weiter. „Die Erhabenheit von Drak’Elrin zu offenbaren – für den da?“ Sein Lachen ging durch meine Knochen. „Um die Tiefen der Herrschaft von Rok’Tsuntyensire zu Tage zu fördern? Rok’Mydrozphaels verdrehte Mitteilung entfalten oder Syn’Vhaerulythe’s fanatisches Werk erläutern – wie ein gewöhnlicher Lehrer vor einer Klasse von Kindern?“ Sein hämisches Lachen hallte um uns herum.


Ich verkümmerte wegen seinem Vergnügen. Doch wie unklug auch immer, ich fühlte eine Antwort in mir brennen:


„Ich bin kein Kind, Tel’Nharssis. Ich bin Narian Castigue, ein Historiker aus Havensong und ich arbeite mit dem Ratsmitglied Kaolyed Greayborne von den Elfen zusammen. Ich habe ein Manuskript, das vom großen Drachenkönig Rok’Nhilthamos spricht. Zu diesem Zweck hatten wir die Hoffnung-“


Dann rührte sich die Bestie. Sein Schwanz schwang über unsere Köpfe, während seine Füße auf die Ruinen stampften und sich seine Krallen tief in das Eis gruben. Seine Lungen zogen Luft an, erhitzten sie und stießen sie sofort in kurzen, trockenen Stößen wieder heraus. So stark waren diese Böen, dass sie von der kalten Atmosphäre aufgenommen wurden und menschengroße Wirbelstürme bildeten, die nach vorne flogen und sich schnell wieder auflösten.


„Dieses Ding zu meinen Füßen entmutigt mich von dir, Khazas. Es lässt mich über die Umstände unseres Paktes nachdenken und erinnert mich an meinen begierigen Magen.“


Khazas blieb an seinem Platz. Er hatte sich nicht einmal vom Felsbrocken bewegt. „Du hast den Inhalt seiner Bitte nicht gehört, Drache.“ Der Drache war beunruhigt und fing an, vor Wut zu schäumen.


„Ich werde eine weitere Zusage tolerieren, Khazas. Seht ihr, dass ihr die Arroganz dieses Menschen schätzt oder jedes Geschöpfes oder Wesens, das um Einsicht in die Erhabenheit der Drachenart bittet!“


Seine Stimme verschmolz mit heftigen Winden und ließ mich in meiner Einstellung zurück. Das Licht des blauen Frostes in seinem Hals fing an zu flimmern.


Wenn ich mir seitdem diesen Moment in meine Erinnerung zurückrufe, ihn in meinem Herz und meinem Verstand betrachtend, bin ich überzeugt, dass ich, wäre ich allein gewesen, geflohen wäre oder versucht hätte zu fliehen. Doch Khazas sah mich an, wie er es am Fuße der Höhle getan hat, und in einem kleinen Winkel meines Herzens fühlte ich mich sicher. So schluckte ich trocken und erklärte ihm…

„Das Pergament, das wir haben – oder, ich habe – scheint eine Kopie eines alten Abkommens zu sein. Wir nennen es „Dragon Accord“ und glauben, es erklärt, warum unsere Völker nach Terminus gekommen sind…“


Meine Worte gingen verloren, denn während meiner Rede hatte sich Tel’Nharssis vor uns völlig verändert. Es geschah alles in seinen Augen, die zum ersten Mal meinen begegneten, im Peitschen von Wind und Fackelschein. Der Drache erschien plötzlich so außergewöhnlich königlich. Und auf einmal wurde mir bewusst, wie alt dieser Planet ist, dass sogar dem legendären High Mortal neben mir die Drachenart vorausgegangen ist.


„Erzähl mir von diesem Accord, lieber Mensch.“


Hier vertiefte sich der Nebel und in einem Moment fühlte ich, wie Tel’Nharssis‘ Flügel zwischen Khazas und mir eintauchte und mich langsam vom Zwergenkönig wegschob. Es war mühelos und absichtlich. Tel’Nharssis‘ Ton wurde gedämpft, angehoben, erwärmt und fing wieder an, bevor ich antwortete.


„Meine Güte, aber du hast einen langen Weg hinter dir… diese ununterbrochene Kälte macht dir sicher zu schaffen. Vielleicht sollte ich dir ein Feuer anbieten, denn wie können zwei Kreaturen etwas von wahrer Wichtigkeit besprechen, wenn so viel von einem verlangt wird?“ Sanft blies er über eine große Schale, die unter dem Schnee versteckt war. Welches Element darin auch war fing sofort Feuer. Die Flamme war blau und nicht zu heiß, die Wände des Felsens im Licht badend. Der Drache zog seinen Schwanz wie einen Schal unter den Kiefer und legte ihn auf meiner Höhe ab. Wäre da nicht sein übermäßig gastfreundlicher Ton, hätte ich geschrien.


„Und jetzt, tapferer Narian. Hast du dieses Dokument, vollständig erhalten? Ich möchte ihm meine volle Aufmerksamkeit widmen und es selbst lesen.“


Bevor ich eine Antwort geben konnte, fiel ein riesiger Hammer vor mein Gesicht, der die herzliche Luft zwischen Tel’Nharssus und mir durchtrennte.


„Wir sind hier fertig, Narian“, grollte Khazas.


In einem Moment, den ich nur als einen Moment des schwarzen, grundlegenden Schreckens bezeichnen kann, sah ich zu, wie der Drache auf seine Hinterbeine sprang und seine Flügel mit einem tiefen, kreischenden Gebrüll entfaltete.


„Niemand entscheidet an meiner statt, Zwerg!“


Khazas warf mich zur Seite und dabei fast in das Höhlenloch, das wir zuerst verlassen hatten. Trotz der Wut des Drachens war seine eigene Haltung ruhig, erschreckend, schon wegen seiner Größe und Präsenz.


„Es gibt keine Herausforderung deiner Herrschaft, Tel’Nharssis“. Khazas drehte den massiven Hammer in seinen Händen mit einer kurzen, verschwommenen Bewegung, bevor er ihn an seine Schulter legte. „Noch sollte es eine meiner geben.“


Der geduckte Drache richtete seine Augen auf den Zwergenkönig und zwang seinen Atem zu heftigen Ausbrüchen.


„Du flehst mich mit unbedeutenden Tricks an und zweifelst an meinem Urteilsvermögen. Diese Nacht war eine vorhersehbare Zwergenfalle.“


„Das ist nicht die Wahrheit“, bot Khazas an.


„Die Wahrheit ist, wie ich sie sehe.“ Tel’Nharssis‘ Auge blitzte auf mich und hielt mich mit seinem Blick fest. „Und so soll es in den Augen aller verbliebenen Rhy’Vulrene auf Nhystyrrok sein. Jeder Wächter, Kämpfer, Beschützer, Verschlinger und sogar die Reignborn selbst sollen den Himmel und die Erde bedecken wie der alles verzehrende Atem des Drachenkönigs. Wenn bekannt wird, dass ein wissbegieriger, unwissender Mensch seine elenden Finger sogar um eine Kopie der Siegelfeder von Rok’Nhilthamos‘ gelegt hat, wird das Reich seines Volkes in Asche und Knochen verwandelt werden, um sie zurückzuholen.“


Seine Zunge spritzte dicken, tropfenden Speichel aus dem Maul über seine Zähne. Seine Augen richteten sich wieder auf Khazas. „Und so wird jedes Volk heimgesucht werden, das ihn in dieser schändlichen Suche geholfen hat.“


Ich gestehe, diese Tirade hat mich zum Zittern gebracht und ich kniete an der Durchgangsmauer in glühender Sorge. Mit geschlossenen Augen wartete ich nur darauf, dass eines dieser großen Wesen den ersten Schlag führte. Doch das Gegenteil kam schnell.


„Oh? Du willst unter den Drachen Alarm schlagen?“ Khazas‘ Gelassenheit blieb unschlagbar. „Sag mir, Tel’Nharssis, hast du deinen Platz unter ihnen wiedererlangt?“ Bei dieser Riposte zuckte das Biest und etwas in ihm überlegte kurzzeitig.


„Und außerdem frage ich mich, ob sie den Grund deiner Absichten heute Abend so positiv wahrnehmen werden wie wir.“


Von welchem Wissen Khazas auch immer sprach, die Wirkung dieser Worte wog schwer auf dem Drachen. Tel’Nharssis sagte für einen Moment nichts. Dann, mit einer plötzlichen Schwere, stapfte er die nicht reparierten Stufen seiner verfallenen Behausung wieder hoch.


„Verschwinde, Zwerg. Solange ich noch Zurückhaltung übe.“


Khazas senkte seinen Kopf leicht als Zustimmung. Er schob den Hammer auf seinem Platz zurück und zog seinen Mantel über die Krone auf seinem Kopf. Innerhalb eines Augenblicks schien alles beendet zu sein.


Doch in einem letzten Einsatz der Versöhnung wandte sich Khazas um. „Es war nie meine Absicht, dich so zu behandeln, Tel’Nharssis. Ich werde mich nicht rühmen deswegen.“


Der Zorn erwachte wieder und manifestierte sich in einem schrecklichen Feuer aus dem Mund der Echse. „Genug!“ brüllte er. Daraufhin begaben wir uns auf eine schnelle Reise zurück in die Steinpassage, und die letzten Worte des Drachen jagten uns nach.


„Nie wieder werde ich deiner elenden Art erlauben mein Land zu betreten, Zwerg. Möge die kommende Seuche euch ganz verschlingen!“


Ich rannte mit gefährlicher Geschwindigkeit die Höhlen hinunter, ohne zu zögern. Bald fanden wir uns am Fuße der Klippen wieder in Sichtweite der Nacht und des Schnees. Ich stürmte durch die Tür und schnappte nach Luft, obwohl meine Lungen brannten durch die Kälte. Erst jetzt habe mir erlaubt, mich sicher zu fühlen.


Dann bemerkte ich das Blut überall. Lachen von altem Blut und einem frischen Fluss, der zu mir floss, aber der Gestank war widerwärtig und anders als der klebrige, metallische Geruch eines Schlachthofs. Ich blickte entsetzt auf und sah Rel-Cirin, sein Gesicht zu den Klippen mit dem Obsidianschwert auf seiner Schulter, tropfnass.


Er war still, bis Khazas herauskam, dann reinigte und umhüllte er seine Waffe und gestand: „Wir haben keine Zeit mehr.“


Als ich stand, sah ich die Leichen. Drei von ihnen, auf verschiedene Weise aufgespalten und einer sauber in zwei Hälften geteilt. Diese Kreaturen sahen menschlich aus, aber dennoch seltsam verdorrt. Als wäre alles Wasser aus ihren Leichen geflossen. Ihre Rüstung war leicht, Waffen abscheulich und doch glatt. Ihre Arme und Beine trugen Umhüllungen aus nassem Tuch. Die Toten ignorierend blickte Khazas zu den Klippen, als er an mir vorbeiging.


„Der kranke Wächter“, flüsterte er.


Vor der breiten Scheibe des Mondes stand eine Silhouette. Selbst hoch oben auf den Klippen erschien er uns als eine bedrohliche Version dieser Angreifer zu unseren Füßen. Doch um ihn herum entstand eine Verzerrung, wie die einer extremen Hitze. Es sah so aus als ob der Mond selbst sich schüttelte. Seine Arme waren verschränkt und er starrte uns unnachgiebig an.


In seinem Gesicht verbrannten zwei Augen von schwarzer Flamme, aber mit einem verdorbenen, grünlichen Farbton – in der Tat erzeugte die Farbe eine blasse, kranke Erscheinung. Er sprach ein Wort, das wie ein Flüstern begann, aber in einem Schrei endete –


„Bald.“


Nach ein paar Sekunden der Beobachtung wandte er sich ab und verschwand hinter den Klippen. Der Mond hat seine Ruhe wiedererlangt.


„Er stachelt uns an“, kommentierte Rel-Cirin und ließ seinen Blick auf uns fallen. „Sie sind nicht bereit für Krieg. Nicht auf unserem Land.“


„Nein“, antwortete Khazas. „Aber wir auch nicht, fürchte ich.“


Dabei entfernten wir uns von dem Schatten der beobachtenden Augen in den Klippen. Zurück zum Schnee, dem Boot und Khadassa. Von dieser Reise habe ich niemanden außer dir informiert, Kaolyen. Und von Khazas erlaube ich mir nur die diskretesten, wissenden Einblicke zu geben – obwohl er seit fast einer Woche nicht mehr in Khadassa gesehen worden ist, wie mir gesagt wird.


Was diese Ereignisse für unsere Suche bedeuten weiß ich nicht. Aber ich bin umso mehr davon überzeugt, dass es in jeder Hinsicht lebenswichtig ist und verpflichte mich, es weiterhin zu verwahren.

Sei gewarnt und ermutigt, Freund.


Narian, 474 I.H.